Fulda, Germany
December 8, 2009
- Ohne tragfähige Lösung zur Nachbauregelung sieht sich die mittelständische deutsche Pflanzenzucht vor dem Aus
- Bremer fordert belastbare gesetzliche Rahmenbedingungen in diesem Bereich
- Aber derzeit nur geringe Bereitschaft der Politik zu Änderungen
- 60-Jahr-Feier des Bundesverbandes der VO-Firmen in Fulda
Ohne eine tragfähige Lösung der Nachbauregelung droht der mittelständischen deutschen Saatzuchtwirtschaft binnen weniger Jahre das Aus mit entsprechend negativen Folgen für die Sortenvielfalt und den züchterischen Fortschritt. Diese Botschaft zog sich wie ein roter Faden durch die Vorträge der Festredner anlässlich der 60-Jahr-Feier des Bundesverbandes der VO-Firmen (BVO), die am Montag vergangener Woche in Fulda stattfand. Der Geschäftsführende Vorsitzende des BVO, Horst Bremer, forderte die Politik mit Nachdruck auf, belastbare gesetzliche Rahmenbedingungen in diesem Bereich zu schaffen. Nur so könnten die vollmundigen Versprechungen der Politik, den Mittelstand zu fördern sowie Innovationen und Erfindungen zu unterstützen, an Glaubwürdigkeit gewinnen. Der große Widerspruch zwischen dem gesetzlich garantierten Recht der Züchter auf Lizenzgebühren auch bei Nachbau und die fehlende Möglichkeit beziehungsweise die Schwierigkeiten, dies auch praktisch und effektiv einzufordern, sei schon eklatant, stellte Bremer fest, der dringenden Handlungsbedarf geltend machte. Er warnte, gelinge es nicht schnellstens, den Teufelskreis zu durchbrechen, werde dies gravierende Folgen für die deutsche Pflanzenzüchtung und Saatgutwirtschaft haben. Betroffen seien hiervon nicht nur die Züchterhäuser, sondern auch die Mitgliedsbetriebe des BVO. In diesem Punkt machte Friedel Cramer vom Bundeslandwirtschaftsministerium der Saatgutbranche indes wenig Hoffnung: Es seien derzeit keine Gesetzesinitiativen geplant. Die Politik sei nicht bereit, eine Flaschenhalslösung zur Nachbauregelung durchzusetzen. Grundsätzlich sei die Bereitschaft der Politik für Änderungen in diesem Bereich gering, erklärte Cramer.
Rückblick auf 60 Jahre
Bremer erinnerte daran, dass der Verband der VO-Firmen am 3. November 1949 in Bremen gegründet worden war; er ging aus dem Arbeitskreis des Nord-Westdeutschen Saatenhandels hervor. Ende 1949 hätten die Ernährung der Bevölkerung und der Wiederaufbau oberste Priorität gehabt. Die Hauptaufgabe in den fünfziger Jahren für die damals rund 60 privaten VO-Firmen im Verband habe darin bestanden, mit den Züchtern die Saatgutversorgung der Landwirtschaft sicherzustellen und den züchterischen Fortschritt wieder umzusetzen. Mit der vollständigen Mechanisierung der Landwirtschaft und automatischen Backwarenherstellung zu Beginn der sechziger Jahre sei der Bedarf an A-Weizensorten gestiegen. Erst Ende der siebziger Jahre sei in Deutschland die Selbstversorgung mit Qualitätsweizen gesichert gewesen, hob Bremer hervor. Heute zähle Deutschland zu den größten Weizenproduzenten in der EU. Die Landwirte könnten 2009 aus 353 im Bundesgebiet zugelassenen Getreidesorten auswählen. Zur Entwicklung des BVO selbst führte Bremer aus, dass sich die Mitgliederzahl über viele Jahrzehnte hinweg um die 70 bewegt habe. Zu Beginn der neunziger Jahre hätten dann viele Betriebe fusioniert, ihre Einheiten vergrößert oder das Geschäft aufgegeben. Eine besondere Herausforderung für den BVO habe die Öffnung der Grenzen vor 20 Jahren dargestellt; habe es doch gegolten, die großen Saatgutbetriebe des ehemaligen Kombinats Quedlingburg möglichst schnell zu integrieren. Seit Ende der neunziger Jahre habe sich die Mitgliederzahl im BVO wieder auf einem erfreulichen Niveau stabilisiert, so Bremer. Die Mitglieder seien nicht nur im Bereich der Getreidesaatgutwirtschaft tätig, sondern auch im Feldsaatenbereich sowie in der ökologischen Landwirtschaft.
Zuchtangebot wird nicht angenommen
Der Präsident des Bundessortenamtes, Udo von Kröcher, verwies auf den erreichten Züchtungsfortschritt. Nach seinen Angaben erhöhte sich die Zahl der in Deutschland zugelassenen Weizensorten von 22 im Jahr 1955 über 50 im Jahr 1980 auf 70 im Millenniumsjahr beziehungsweise 112 im vergangenen Jahr. Gleichzeitig konnte der durchschnittliche Hektarertrag der Weizensorten von 31 dt im Jahr 1955 auf zuletzt 81 dt gesteigert werden. Von Kröcher betonte, der Züchtungsfortschritt sei heute zwar nicht mehr so stark wie früher, doch er sei weiter gegeben. Der Präsident des Bundessortenamtes rechnet für die nächsten Jahre mit einem weiteren Anstieg der Anmeldungen. Er hob hervor, dass nur etwa 10 % der angemeldeten Sorten zugelassen würden. Ziel sei immer gewesen, qualitativ hochwertiges Saatgut bereitzustellen und Züchtungsfortschritt umzusetzen. Dies gelte noch heute und werde angesichts einer weiter steigenden Weltbevölkerung auch in Zukunft gelten. Weniger zuversichtlich zeigt sich Dr. Reinhard Kendlbacher, Vorsitzender Kleine Kommission Getreide des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter (BDP). Er wies darauf hin, dass der Saatgutabsatz in Deutschland seit 1999 um 800 000 dt oder 15 % gesunken sei. Zwar sei die Zahl der Neuzulassungen deutlich gestiegen; das durchschnittliche Sortenalter habe jedoch von früher zehn bis zwölf Jahren auf sieben Jahre abgenommen. Vier Jahre nach ihrer Zulassung seien lediglich noch 30 % der Sorten am Markt. „Die Landwirte picken sich die besten Sorten heraus“, so Kendlbacher. Er beklagte, in Deutschland nehme der Kunde das Zuchtangebot nicht an. Der Landwirt zahle nur dann die Nachbaugebühr, wenn er es überhaupt nicht vermeiden könne.
Pflanzenzucht ist teuer
Auch der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Saatguterzeuger (BDS), Jürgen Krafft, beurteilte die aktuelle Entwicklung kritisch. Der Absatz von Z-Saatgut sei in diesem Jahr in Deutschland nochmals deutlich gesunken. Das Geschäft habe weiter abgenommen. Krafft appellierte an die Verbände, zeitnah nach einer Lösung für den Z-Saatgutabsatz zu suchen. Dr. Peter Franck von der PZO Pflanzenzucht Oberlimpurg betonte, „Nachbau ohne Gebührenzahlung ist rechtswidrig“. Er warf der Politik vor, die Augen vor dieser Problematik zu verschließen. „Uns fehlt der Augenöffner“, so Franck. Er appellierte auch an den Deutschen Bauernverband (DBV) unter Hinweis auf die von diesem richtigerweise gestellten Forderungen an die Pflanzenzüchtung, gegenüber der eigenen Klientel die klare Forderung zu erheben: „Wir zahlen dafür“. Franck verwies auf die Züchtungserfolge in der Nachkriegszeit. So habe bei den Zuckerrüben der Arbeitseinsatz von früher 500 auf sechs Stunden pro Hektar gesenkt werden können, bei Getreide von 117 auf ebenfalls sechs Stunden. Die Ausweitung des Rapsanbaus im heutigen Umfang sei auch nur möglich gewesen, weil die Wintergerste durch die Virusresistenzzüchtung in der Produktion gehalten worden sei, erklärte Franck. Die durch die Zucht erreichte Frühreife beim Mais habe es erlaubt, den Maisanbau von 20 000 ha im Jahr 1950 auf heute 2 Mio ha auszudehnen. Skeptisch blickte der Pflanzenzüchter aber in die Zukunft: Sollte der negative Trend beim Wechsel von Getreidesaatgut, der von gut 60 % zur Ernte 2001 auf 48 % gesunken sei, anhalten, werde es in einigen Jahren nur noch ganz wenige Zuchtbetriebe geben. Pflanzenzucht sei teuer. Die Optimierung der Sorten koste Geld; ohne Nachbaugebühren sei dies nicht zu leisten, stellte Franck klar.
AgE