Germany
August 1, 2013
Nicht nur Psychologen würden gerne in den Kopf ihrer Patienten hineinsehen können – auch Pflanzenforschern liefern die »inneren Werte« einer Pflanze wertvolle Informa-tionen. Eine Spezialkamera analysiert die Inhaltsstoffe von Weinreben, Mais und Co.
In weiten Bögen kreist das Messflugzeug über einer Weinplantage in Australien. Mit an Bord ist eine Kamera, die in regelmäßigen Abständen Aufnahmen von den Reben macht – allerdings keine gewöhnlichen Fotos. Sie »schaut« vielmehr direkt in die Pflanze hinein und liefert dem Weinbauern wertvolle Informationen über deren Inhalts- stoffe. Dieser kann dadurch seine Züchtung gezielt anpassen, um mit Kreuzungen mit gewinnbringenden Eigenschaften den Ertrag seiner Weinstöcke zu steigern – unter den Rahmenbedingungen in Australien eine echte Herausforderung: Die Böden sind trocken und salzig, die Temperaturen im Sommer oft extrem hoch.
Die Hyperspektralkamera ist unter der Tragfläche
des Forschungsflugzeugs angebracht. © Fraunhofer IFF
Möglich wird dieser Blick auf die »inneren Werte« der Weinrebe durch eine spezielle Software. Diese verarbeitet die Daten einer Hyperspektral-Kamera, die Bilder von vielen, eng beieinanderliegenden Wellenlängen aufzeichnen kann. Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg haben diese Software und die darin enthaltenen mathematischen Modelle entwickelt.
»Jedes Molekül absorbiert Licht in einem ganz spezifischen Wellenlängenbereich«, erklärt Projektleiter Prof. Udo Seiffert (Bild). »Der von uns verwendete Kamerachip deckt einen großen Bereich des relevanten Wellenlängen- spektrums ab und ist in Verbindung mit einer entsprechenden Software in der Lage, die biochemische Zusammensetzung jedes einzelnen aufgenom- menen Pixels genau zu erfassen«. Die Kamera liefert dadurch eine Übersicht aller Inhaltsstoffe, die in der Pflanze in einer signifikanten Konzentration vorhanden sind – eine Art hyperspektralen »Fingerabdruck«.
Kamera liefert Übersicht der Inhaltsstoffe
Um diese Rohdaten für Kunden nutzbar zu machen, müssen sie jedoch entsprechend aufbereitet werden. »Unsere Datenverarbeitung basiert auf mathematischen Model- lierungen. Die Software erkennt anhand dieser Algorithmen charakteristische Absorptionseigenschaften von definierten Zielstoffen und filtert diese aus den Rohdaten heraus«, erläutert Seiffert. Damit die Software »weiß«, welche Stoffe sie anzeigen soll, müssen sie die Wissenschaftler zunächst für die jeweilige Anwendung kalibrieren. Dazu nehmen sie Messpflanzen mit ihrer Kamera auf, um den Fingerabdruck der Inhaltsstoffe zu erhalten. Die aufgenommen Pflanzenteile werden anschließend ins Labor geschickt, um die Konzentrationen der Stoffe zu analysieren, die für den Anwender relevant sind. Anschließend werden die Laborergebnisse zusammen mit dem hyperspektralen Fingerabdruck in das mathematische Modell eingespeist. Der Clou: Die Software ist in der Lage, die Informationen selbstständig zu verknüpfen und dieses Wissen abzuspeichern. »Man kann sich das in etwa wie beim Vokabeln lernen vorstellen«, erläutert Seiffert. Hat die Software einmal die Zuordnung gelernt, filtert sie beim nächsten Mal automatisch die relevanten Stoffe aus den Aufnahmen der Hyperspektralkamera heraus. Eine Laboranalyse ist dann für weitere Messreihen nicht mehr erforderlich.
Der Blick ins Pflanzeninnere schafft für Landwirte effektive neue Möglichkeiten, den Ertrag ihrer Gewächse zu steigern. So geben etwa bestimmte Metaboliten – darunter versteht man Stoffwechselprodukte – Aufschluss darüber, wie gut eine Pflanze ernährt ist. Der Landwirt kann dann seine Züchtung auf diejenigen konzentrieren, die unter den herrschenden klimatischen Bedingungen besonders gut gedeihen. Er muss seine Felder dadurch beispielsweise weniger bewässern. Auch Krankheiten wie etwa Pilzinfektionen lassen sich dank der Hyperspektraltechnologie schneller erkennen. Denn bevor eine Infektion äußerlich sichtbar wird – beispielsweise durch abgestorbene Blätter, Stängel oder Mehltau – laufen in dem befallenen Gewächs Abwehrmechanismen ab. Diese deuten darauf hin, dass die Pflanze die Infektion erkannt hat und diese nun bekämpft. Bislang sind für solche Untersuchungen langwierige Experimente im Gewächshaus erforderlich. Nicht zuletzt lassen sich anhand von Luftaufnahmen Infektionsherde auf dem Feld schnell erkennen.
Die erste Messreihe mit den Projektpartnern der Australian Plant Phenomics Facility der Universität in Adelaide sind bereits abgeschlossen – die Ergebnisse sind vielversprech- end. Derzeit laufen die Planungen für einen weiteren Einsatz der Kamera in Down Under. Ein Demonstrator für den Gewächshaus- beziehungsweise Laboreinsatz des Systems ist auf der Messe Biotechnica in Hannover vom 8. bis 10. Oktober in Halle 9, Stand E72 zu sehen.
Gesamtausgabe Forschung Kompakt August 2013 [PDF]