Germany
September 1, 2009
"Wir schauen wie sich Bienenvölker entwickeln, die ausschließlich Pollen einer einzigen Maissorte sammeln können."
Das Maisversuchsfeld Mitte August. Über das ganze Feld verteilt stehen mit Gaze bespannte Zelte, die während der Maisblüte der begrenzte Lebensraum für je zwei Bienenvölker sind. Für die Maispflanzen wird es in den Zelten schon eng, ihre Spitzen beugen sich unter dem drei Meter hohen Netz. Für die Bienenversuche von Stephan Härtel und seinen Mitarbeitern von der Universität Bayreuth ist die Maisblüte die entscheidende Zeit, denn nur dann können die Bienen Maispollen sammeln.
An einem bewölkten und windigen Tag wie diesem ist es im Zelt ruhig, nur wenige Bienen sind unterwegs. Stephan Härtel notiert das Entwicklungsstadium des Maises, dass seine Mitarbeiterin Stefanie Nadler fachkundig an ausgewählten Maispflanzen ermittelt, indem sie die männlichen Blütenfahnen zu sich herunterzieht und die Pollenschüttung überprüft.
Die Bienen in diesem Zelt können ausschließlich den Pollen von der auf dieser Parzelle wachsenden Maissorte sammeln. Verteilt auf 32 Parzellen werden auf dem Versuchsfeld vier verschiedene Maissorten angebaut: gentechnisch veränderter Bt -Mais, die konventionelle Ausgangssorte sowie zwei weitere konventionelle Sorten. Auf jeder der Parzellen steht ein Flugzelt für je zwei Bienenvölker. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, ob es Unterschiede in der Entwicklung der Bienenvölker gibt, je nachdem mit welchem Pollen sie sich ernähren. Vor allem aber interessiert sie, ob der Pollenkonsum von gentechnisch verändertem Bt-Mais unerwünschte Wirkungen auf Honigbienen hat.
Pollen enthält Eiweiß, das Bienen insbesondere für die Aufzucht ihrer Brut benötigen. "Im Flugzelt ist Maispollen die einzige Eiweißquelle, d.h. die Bienen werden "gezwungen", ausschließlich Maispollen zu sammeln", Stephan Hertel deutet auf die männlichen Blüten an der Spitze der Maispflanzen. "Das Versuchsdesign bedeutet also worst-case-Bedingungen. Die können auch in freier Natur wie etwa in großen Monokulturen durchaus vorkommen."
Mais ist eine windbestäubte Pflanze und bildet keinen Nektar. Deshalb bekommen die Tiere in den Flugzelten zusätzlich eine Standard-Zuckerlösung, die durch ein Loch in eine Kammer der Bienenbeute eingefüllt werden kann. Damit sie nicht darin ertrinken, schwimmen auf der Zuckerlösung Hydrokultursteine. Außerdem steht in jedem Zelt eine Tränke mit Wasser. Ausreichende Wasserversorgung ist für die Temperaturregulierung im Bienenkasten wichtig.
"Keine toten Bienen heute", kommentiert Stefanie Nadler knapp ihren Blick in die "Totenfalle", die von den Wissenschaftlern für diesen Versuch entwickelt worden ist. Im unteren weißen Behälter vor der Beute werden die Tiere aufgefangen, die von den anderen Bienen aus der Kolonie geschafft wurden.
"Wir erfassen verschiedene Kolonie-Parameter. Wie ist z.B. die Mortalität in den Honigbienenvölkern, wie sieht die Brutentwicklung aus, wie viel Pollen wird eingetragen?" erläutert Stephan Härtel und beginnt damit, fünf Minuten lang die Flugaktivität eines Versuchsvolkes zu beobachten. Er notiert, wie viele Bienen ausfliegen und wie viele mit Pollen zurückkommen. Nur einige wenige tragen an ihren Beinen eine gelb leuchtende Pollenfracht.
Bienen markieren
Lautes Gesumme füllt den kleinen Raum am LAVES Institut für Bienenforschung in Celle. Hunderte junger Bienen krabbeln und drängeln in ständiger Bewegung auf unzähligen Waben, die in einen hölzernen Rahmen gebaut sind. Hin und wieder wird der Deckel einer noch geschlossenen Wabenzelle durchstoßen und eine junge Biene schlüpft.
Während die Kollegen auf dem Feld ihr tägliches Pensum absolvieren, sind Harmen Hendriksma und eine Mitarbeiterin heute am Bieneninstitut, um junge, frisch geschlüpfte Bienen zu markieren. Sie greifen sich einzelne Tiere und verpassen ihnen einen farbigen Fleck, damit sie später im Flugzelt wieder auffindbar sind. Die jungen ein bis zwei Tage alten Bienen brauchen in dieser Phase ihrer Entwicklung besonders viel Eiweiß. Im Zelt werden sie ausschließlich Maispollen als Eiweißquelle haben. Wenn sie nach einiger Zeit aus den Völkern wieder entnommen werden, lässt sich in ihren Därmen genau überprüfen, wie viel Maispollen sie aufgenommen haben.
Die Bienenvölker für den Versuch sind am Celler Bieneninstitut gezüchtet worden. Es sind "Celler Bienen", eine Bienenlinie mit langer züchterischer Tradition. Um die Bienenvölker vergleichen zu können, ist es wichtig, dass sie alle einen ähnlichen genetischen Hintergrund haben. Alle Königinnen sind deshalb Töchter einer Mutter und wurden durch Zuchtdrohnen einer Population begattet.
Völkerbonitur
Wieder auf dem Feld, öffnet Harmen Hendriksma am Nachmittag vorsichtig eine der Bienenbeuten. Während eines Brutzyklus von drei Wochen wird fünfmal auf dem Feld eine so genannte Völkerbonitur durchgeführt. In jeder Beute sind drei herausnehmbare Rahmen, an dessen einer Seite sich ein vorgegebener Wabenkern befindet, an den die Bienen weiter anbauen können. Die Rahmen werden einzeln herausgenommen und nach einer bestimmten Methode, der Liebefelder Schätzmethode, die Volksentwicklung geschätzt. Das Öffnen der Beuten macht die Bienen unruhig. Wenn sie dann abgeschlagen werden, um einen Blick in die Wabenzellen werfen zu können, riskieren die Bienenforscher den einen oder anderen Stich. Harmen Hendriksma hat sich an Bienenstiche gewöhnt, so etwa fünfzehn habe er diese Woche schon einstecken müssen, sagt er.
Auf dem Grunde der Wabenzellen sind Eier zu erkennen. Die Wissenschaftler verfolgen das Schicksal einzelner markierter Eier bis zum Schlupf der Biene und errechnen daraus einen Brutindex, ein weiterer wichtiger Wert, um die Volksentwicklung zu beurteilen.
Das weitere Vorgehen
Im nächsten Jahr wollen Stephan Härtel und seine Mitarbeiter die Bienenvölker teilweise mit Bienenkrankheiten, der Varroamilbe und dem Darmparasiten Nosema, infizieren, um zu schauen, wie sich die so geschwächten Völker in den verschiedenen Maisvarianten entwickeln.
Um herauszufinden, wie viel Maispollen tatsächlich von Honigbienen in Bienenstöcke eingetragen wird, stellen die Wissenschaftler standardisierte junge Bienenvölker in verschiedene Agrarlandschaften, in denen sich sowohl der Anteil der Maisanbaufläche als auch das Angebot alternativer Pollenquellen unterscheiden. Mit Hilfe von Pollenfallen ermitteln sie das von den Bienen genutzte Pollenspektrum.
Noch einen weiteren interessanten Aspekt nehmen sich die Bienenforscher vor. Sie wollen wissen, ob verschiedene Bienen-Parasiten auf Bt‑Proteine empfindlich reagieren. Der auf dem Versuchsfeld wachsende Bt-Mais enthält drei verschiedene Bt-Proteine, die spezifisch gegen die Maisschädlinge Maiszünsler , einen Schmetterling, und den Maiswurzelbohrer , einen Käfer, wirksam sind. So könnten auch die Kleine und Große Wachsmotte sowie der Kleine Beutenkäfer durch Rückstände von Bt-Proteinen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden, wenn sie in den Waben eingelagerten Pollen fressen.