Bonn, Germany
December 19, 2024
Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e. V. (BDP) zieht eine facettenreiche Bilanz des Jahres 2024. Angesichts der Herausforderungen durch Klimawandel, geopolitische Veränderungen und politische Zielkonflikte spielt die Pflanzenzüchtung eine zentrale Rolle für die Landwirtschaft der Zukunft. „Verbesserte und angepasste Sorten liefern Antworten auf Fragen der Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Produktivität. Die Pflanzenzüchtung erweist sich als entscheidender Motor für die Transformation hin zu widerstandsfähigen, produktiven Agrar- und Ernährungssystemen“, erklärt BDP-Geschäftsführer Dr. Carl-Stephan Schäfer.
Neue Züchtungsmethoden: Innovationen den Weg bereiten
Im Jahr 2024 stand weiterhin der EU-Verordnungsvorschlag zu neuen genomischen Techniken (NGT) im Zentrum der politischen Diskussion. Der BDP begrüßt die vorgeschlagenen Änderungen, die eine wissenschaftsbasierte und differenzierte Regulierung vorsehen. Diese Technologien ermöglichen es, Pflanzen zu entwickeln, die sich von konventionell gezüchteten nicht unterscheiden, jedoch in kürzerer Zeit entstehen können. „Neue Züchtungsmethoden sind kein Selbstzweck, sondern ein wichtiges Werkzeug, um den steigenden Anforderungen durch Klimaveränderungen, Biodiversität und Nahrungsmittelversorgung gerecht zu werden. Die Pflanzenzüchtung braucht einen zukunftsweisenden Rechtsrahmen, der Innovationen ermöglicht“, betont Schäfer.
Sortenschutz stärken, Patentierbarkeit limitieren
Der Schutz geistigen Eigentums bleibt eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Pflanzenzüchtung. Der BDP fordert, dass der Sortenschutz als zentrales Instrument zur Refinanzierung von Züchtungskosten und Motor für Züchtungsfortschritt konsequent gestärkt wird. Rechtlich verbindliche Regelungen müssen geschaffen werden, um den Zugang zu pflanzengenetischen Ressourcen für alle Unternehmen zu sichern und den Patentschutz zu begrenzen. Biologisches Material, das auch in der Natur vorkommen oder entstehen könnte, sollte daher nicht patentiert werden. Nur wenn beides gewährleistet ist, können langfristig neue und verbesserte Sorten entwickelt werden, die den Anforderungen von Landwirtschaft, Umwelt und Ernährungssicherheit gerecht werden.
Im Nachgang zum sogenannten Erntegut-Urteil des Bundesgerichtshofs hat die Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) im Sommer 2024 die Erntegut-Bescheinigung eingeführt – ein freiwilliges Instrument, das Landwirtinnen und Landwirten ermöglicht, die rechtmäßige Erzeugung ihres Ernteguts zu dokumentieren, und Händlern eine verlässliche Grundlage zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten in Bezug auf die Einhaltung des Sortenschutzrechts bietet. „Angesichts der Tatsache, dass die Entwicklung neuer Pflanzensorten bis zu 15 Jahre dauert und Investitionen von bis zu 5 Millionen Euro erfordert, ist der Schutz geistigen Eigentums in der Züchtung und damit die Refinanzierung von züchterischer Leistung entscheidend“, sagt Schäfer.
Pflanzenzüchtungsunternehmen entgeht knapp die Hälfte der ihnen nach dem Sortenschutzrecht zustehenden Nachbaugebühren. Der BDP setzt sich seit Jahrzehnten für eine Nachbesserung der gesetzlichen Regelungen ein.
Forschungsförderung dringend ausbauen
Angesichts der zunehmenden Herausforderungen durch den Klimawandel und den steigenden Druck zur Reduzierung von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln fordert der BDP eine Verstetigung der Forschungsförderung. „Wir brauchen mehr gezielte öffentliche Investitionen in pflanzenzüchterische Lösungen, insbesondere zur Bekämpfung von Schäden durch Insekten und andere Schaderreger. Nur so können wir die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft sichern“, meint Schäfer. Der BDP appelliert an die Bundesregierung, starke und langfristige Förderprogramme für die Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung in der Pflanzenzüchtung aufzulegen. Besonders wichtig sind hierbei Bereiche wie Resistenzzüchtung, die Entwicklung neuer Züchtungsmethoden und der Einsatz datengetriebener Technologien. „Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Branche hängen davon ab, dass die vorwettbewerbliche Forschungsförderung jetzt gezielt gestärkt wird“, betont Schäfer.
Saatgutrecht: Qualität erhalten
Der BDP begrüßt das Ziel, den Rechtsrahmen für die Produktion und das Inverkehrbringen von Saatgut in der EU zu modernisieren, mahnt jedoch an, dass bewährte Grundsätze nicht gefährdet werden dürfen. Die amtliche Prüfung, Zulassung und Anerkennung von Pflanzensorten, Saat- und Pflanzgut sind seit Jahrzehnten der Garant für die hohe Qualität des in Deutschland produzierten Saatguts. Das Saatgutrecht muss Innovationen ermöglichen und gleichzeitig die hohen Qualitätsstandards sichern, die Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland und Europa erwarten. Besondere Sorge bereiten dem Verband geplante Ausnahmeregelungen, die die Zulassung und Vermarktung von Saatgut weniger strengen Anforderungen unterwerfen könnten. Solche Regelungen sind abzulehnen. Dass der Reformvorschlag der EU-Kommission weiter auf dem Prüfstand steht, hält der BDP daher für richtig.
Gemeinsame Vision der Zukunftskommission Landwirtschaft
Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) hat erneut ihre Rolle als zentrale Plattform für den Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis gestärkt und die Pflanzenzüchtung als wesentlichen Innovationstreiber anerkannt. Aufbauend auf ihrem Abschlussbericht von 2021 fordern die im November 2024 aktualisierten Empfehlungen der ZKL eine deutliche Ausweitung staatlicher Fördermittel für die Entwicklung klimaangepasster und nachhaltiger Sorten. Technologien wie Data Science und künstliche Intelligenz sollen gezielt eingesetzt werden, um Züchtungsziele wie Krankheitsresistenz, Nährstoffeffizienz und Stressresistenz zu fördern. Zudem wird die Bedeutung des Sortenschutzes gegenüber dem Patentrecht hervorgehoben, um den freien Zugang zu Zuchtmaterial für alle Akteure zu gewährleisten. Die ZKL betont, dass Veränderungen nur durch Dialog und Kompromissbereitschaft aller Beteiligten erfolgreich sein können. Die einstimmige Verabschiedung der Empfehlungen durch Vertreterinnen und Vertreter aus Landwirtschaft, Wirtschaft, Umwelt-, Verbraucher- und Tierschutz sowie Wissenschaft unterstreicht die Dringlichkeit der Maßnahmen. Die Bundesregierung ist nun aufgefordert, diese Empfehlungen umzusetzen und damit den Weg für eine nachhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft zu ebnen.
Ausblick auf 2025
Der BDP sieht die Weiterentwicklung des Innovationssystems Pflanze als entscheidende Aufgabe für die kommenden Jahre. Als zentraler Bestandteil eines leistungsfähigen Innovationssystems legt die Pflanzenzüchtung die Basis für die Entwicklung neuer Pflanzensorten und Anbausysteme, die den wachsenden Anforderungen an Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Klimaanpassung gerecht werden. „Zur Grünen Woche 2025 wird der BDP seinen Forderungskatalog für die 21. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages präsentieren. Dieser Katalog enthält konkrete Maßnahmen, um das Innovationssystem Pflanze zu stärken und den Wandel zu einer leistungsfähigen und gleichzeitig nachhaltigen Landwirtschaft zu fördern. Dafür ist vor allem ein kohärenter und verhältnismäßig ausgestalteter Rechtsrahmen essenziell“, mahnt Schäfer.
Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e. V. (BDP):
Der BDP bündelt die Interessen seiner Mitglieder aus den Züchtungsbereichen Landwirtschaft, Gemüse, Zierpflanzen und Reben sowie dem Saatenhandel. Rund 130 Unternehmen sind auf dem Gebiet der Züchtung und dem Vertrieb landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kulturarten tätig. Davon betreiben 58 eigene Zuchtprogramme. Die einzelnen Firmen arbeiten in der Regel an mehreren Fruchtarten. Der BDP setzt sich auf nationaler und europäischer Ebene für eine optimale Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für die Züchtung und die Saatgutwirtschaft sowie für die Organisation der Pflanzenforschung, für die Förderung neuer Technologien und die Weiterentwicklung des Sorten- und Saatgutwesens ein.