Germany
December 12, 2022
1. Erhaltungssorten landwirtschaftlicher Arten in Deutschland
Seit 2009 können Sorten landwirtschaftlicher Arten als Erhaltungssorte zugelassen werden (Richtlinie 2008/62/EG*). Die Zulassung erfolgt hier wie auch bei herkömmlichen Sorten für zehn Jahre und kann auf Antrag immer wieder verlängert werden. Somit befinden sich einige der Erhaltungssorten in der ersten Verlängerungsphase. Das nutzen wir als Anlass, die bisherigen nationalen Zulassungsanträge sowie die in Verkehr gebrachten Saatgutmengen auszuwerten.
1.1 Anträge auf Zulassung als Erhaltungssorte
Seit 2009 sind 62 Anträge auf Zulassung als Erhaltungssorte beim Bundessortenamt eingegangen – 56 für landwirtschaftliche Arten und 6 für Gemüse. Die Möglichkeit, Gemüse als Erhaltungssorten zuzulassen, wird kaum genutzt, stattdessen werden diese Sorten meist als Amateursorten angemeldet.
Bereits im ersten Jahr nach Inkrafttreten der Erhaltungssortenverordnung wurde mit acht Anträgen die bis heute höchste Anzahl an Neuanträgen in einem Jahr verzeichnet. Im Durchschnitt wurden etwa fünf Anträge pro Jahr gestellt, im Jahr 2020 allerdings nur einer und 2021 keiner. Bisher haben 25 verschiedene Antragsteller Anträge eingereicht, davon einige über die Jahre hinweg wiederholt (Abb. 1).
![Anzahl der Anträge auf Zulassung einer Erhaltungssorte pro Jahr im Zeitraum 2009 –2021](https://www.bundessortenamt.de/bsa/media/_processed_/a/6/csm_Erhaltungssorten_Abb1_48d27516ca.png)
Abb. 1: Anzahl der Anträge auf Zulassung einer Erhaltungssorte pro Jahr im Zeitraum 2009 –2021
1.2 Anzahl der zugelassenen Erhaltungssorten
Im Jahr 2021 waren 50 Erhaltungssorten von insgesamt 12 landwirtschaftlichen Arten zugelassen – dabei steigt die Anzahl seit 2009 kontinuierlich. In den ersten drei Jahren nahm die Art Kartoffel den größten Anteil ein. Seit 2013 gibt es die meisten Erhaltungssorten im Getreide, wobei der Winterweichweizen mit knapp der Hälfte überwiegt. Die Leguminosen (Ackerbohne, Futtererbse, Rotklee) und die Öl- und Faserpflanzen (Lein, Weißer Senf) haben mit jeweils 1 – 2 Sorten vergleichsweise geringe Anteile. Gräser, sonstige Futterpflanzen und Rüben sind nicht vertreten (Abb. 2).
![Anzahl zugelassener Erhaltungssorten pro Jahr und Art im Zeitraum 2009 – 2021](https://www.bundessortenamt.de/bsa/media/_processed_/2/4/csm_Erhaltungssorten_Abb2_0d1cbfb54f.png)
Abb. 2: Anzahl zugelassener Erhaltungssorten pro Jahr und Art im Zeitraum 2009 – 2021
1.3 Zulässige Saatguthöchstmengen und in Verkehr gebrachte Saatgutmengen
Das Inverkehrbringen von Erhaltungssorten unterliegt einer Mengenbeschränkung. Die Höchstmenge je Sorte und Art wird in Abhängigkeit von der Anbaubedeutung der jeweiligen Art berechnet und vom Bundessortenamt bekannt gemacht. Die vom Bundessortenamt festgesetzten Höchstmengen reichen von 150 t (Futtererbse) bis 62.000 t (Winterweichweizen) (Abb. 3). Die dem Bundessortenamt gemeldeten in Verkehr gebrachten Mengen liegen deutlich niedriger zwischen 100 kg (Mais 2018/2019) und 88 t (Winterroggen 2018/2019). Im zeitlichen Verlauf lässt sich erkennen, dass die Mengen anfangs, vor allem in den Wirtschaftsjahren 2012/2013 bis 2014/2015, stark zunahmen und danach über mehrere Jahre stagnierten. In den letzten beiden Jahren ist jedoch ein Rückgang zu verzeichnen. Winterroggen war hierbei in allen Jahren die Art, von der das meiste Saatgut in Verkehr gebracht wurde. Es ist festzuhalten, dass in keinem einzigen Jahr seit der Etablierung der Erhaltungssorten die zulässige Höchstmenge für eine Art ausgeschöpft wurde (Abb. 3).
![Darstellung der Höchstmengen sowie der gemeldeten in Verkehr gebrachten Saatgutmengen (deutlich vergrößert dargestellt) von Erhaltungssorten](https://www.bundessortenamt.de/bsa/media/_processed_/6/2/csm_Erhaltungssorten_Abb3_3c67edcc81.png)
Abb. 3: Darstellung der Höchstmengen sowie der gemeldeten in Verkehr gebrachten Saatgutmengen (deutlich vergrößert dargestellt) von Erhaltungssorten
2. Erhaltungssorten landwirtschaftlicher Arten in den Mitgliedstaaten
Zugelassene Erhaltungssorten werden von den Mitgliedstaaten an die Europäische Kommission zur Aufnahme in den Gemeinsamen Sortenkatalog gemeldet. Stand Januar 2022 sind 393 Erhaltungssorten in der EU zugelassen, wobei die jeweilige Anzahl in den verschiedenen Mitgliedstaaten stark variiert. Während die meisten Erhaltungssorten in Schweden und Italien mit 76 bzw. 75 Sorten zugelassen sind, verzeichnen beispielsweise Polen und Frankreich nur 17 bzw. 12 Sorten. Die übrigen Mitgliedstaaten weisen noch geringere Zahlen auf. Sechs Mitgliedstaaten haben überhaupt keine Erhaltungssorten in ihre Sortenlisten aufgenommen. Im Vergleich mit den anderen Mitgliedstaaten hat Deutschland die dritthöchste Anzahl an Erhaltungssorten (Abb. 4).
![Anzahl zugelassener wie auch gelöschter (grau) Erhaltungssorten landwirtschaftlicher Arten in der EU](https://www.bundessortenamt.de/bsa/media/_processed_/8/2/csm_Erhaltungssorten_Abb4_769324b222.png)
Abb. 4 Anzahl zugelassener wie auch gelöschter (grau) Erhaltungssorten landwirtschaftlicher Arten in der EU
Grundsätzlich stellen auch hier die Arten Weichweizen und Kartoffel mit 77 bzw. 75 Sorten die meisten zugelassenen Erhaltungssorten. Weiterhin bedeutsam sind Mais, Hartweizen, Gerste, Futtererbse und Roggen mit jeweils über 20 Erhaltungssorten und Kohlrübe, Reis, Hafer und Spelz mit jeweils über 10 Sorten. Für 15 Arten gibt es lediglich ein oder zwei Erhaltungssorten. Insgesamt sind Getreidearten mit 240 Erhaltungssorten am stärksten vertreten, gefolgt von Kartoffel mit 75, Futterpflanzen mit 64 und Öl-/Faserpflanzen mit 13 (Abb. 5).
![Anzahl der in den Mitgliedstaaten (Norwegen ist als Vertragsstaat mit enthalten) zugelassenen wie auch gelöschten Erhaltungssorten landwirtschaftlicher Arten](https://www.bundessortenamt.de/bsa/media/_processed_/2/a/csm_Erhaltungssorten_Abb5_ed6a620692.png)
Abb. 5: Anzahl der in den Mitgliedstaaten (Norwegen ist als Vertragsstaat mit enthalten) zugelassenen wie auch gelöschten Erhaltungssorten landwirtschaftlicher Arten
Betrachtet man die Anzahl zugelassener Erhaltungssorten getrennt nach Artengruppen, so zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Zwar hat Schweden die höchste Anzahl an zugelassenen Erhaltungssorten insgesamt, doch dominieren hier, entgegen dem Gesamttrend in der EU, zahlenmäßig die Futterpflanzen (Futtererbse 25, Kohlrüben 10) (Abb. 6). Im Gegensatz dazu sind in Italien fast ausschließlich Erhaltungssorten von Getreidearten gelistet (Abb. 7). Die Art Kartoffel hat mit 11 – 14 Erhaltungssorten eine annähernd gleiche Bedeutung in Schweden, Polen, Irland und Spanien (Abb. 8).
Bei den Futterpflanzen stellen die Leguminosen die meisten Erhaltungssorten (Abb. 6). Insgesamt ist lediglich eine Grassorte vertreten. Öl- und Faserpflanzen haben mit insgesamt 13 Erhaltungssorten eine vergleichsweise geringe Bedeutung. Diese sind in fünf Mitgliedstaaten zugelassen, davon sechs allein in Slowenien für die Arten Lein, Mohn, Sojabohne und Raps (Abb. 9).
![Zugelassene Erhaltungssorten von Futterpflanzenarten](https://www.bundessortenamt.de/bsa/media/_processed_/8/b/csm_Erhaltungssorten_Abb6_02e2ef4ad0.png)
Abb. 6 Zugelassene Erhaltungssorten von Futterpflanzenarten
![Zugelassene Erhaltungssorten von Getreidearten](https://www.bundessortenamt.de/bsa/media/_processed_/f/7/csm_Erhaltungssorten_Abb7_14f5617315.png)
Abb. 7 Zugelassene Erhaltungssorten von Getreidearten
![Zugelassene Erhaltungssorten von Kartoffel](https://www.bundessortenamt.de/bsa/media/_processed_/1/c/csm_Erhaltungssorten_Abb8_59832bba20.png)
Abb. 8 Zugelassene Erhaltungssorten von Kartoffel
![Zugelassene Erhaltungssorten von Öl- und Faserpflanzenarten](https://www.bundessortenamt.de/bsa/media/_processed_/a/9/csm_Erhaltungssorten_Abb9_24a51bf02e.png)
Abb. 9 Zugelassene Erhaltungssorten von Öl- und Faserpflanzenarten
Fazit
Diese Auswertung ergibt, dass in Deutschland sowohl die Antragszahlen (62) als auch die in Verkehr gebrachten Saatgutmengen (0,680 t – 88 t) von Erhaltungssorten gering sind. Stand Frühjahr 2022 sind lediglich 50 Erhaltungssorten von insgesamt 12 landwirtschaftlichen Arten (vorwiegend Getreidearten und Kartoffel) zugelassen. Ein Blick auf die Zahlen der anderen Mitgliedstaaten verdeutlicht, dass auch dort die Anzahl an Erhaltungssorten (maximal 76 in Schweden) gering ist. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Anzahl an Erhaltungssorten einen geringen Anteil an den insgesamt zugelassenen Sorten landwirtschaftlicher Arten ausmacht.
Hintergrund
Zur Förderung der Biodiversität und der Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen hat die Europäische Kommission 2008 eine Richtlinie mit Ausnahmeregelungen für die Zulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut von Erhaltungssorten landwirtschaftlicher Arten (Richtlinie 2008/62/EG*) verabschiedet, die 2009 in Deutschland durch die „Verordnung über die Zulassung von Erhaltungssorten und das Inverkehrbringen von Saat- und Pflanzgut von Erhaltungssorten“ (Erhaltungssortenverordnung) in nationales Recht umgesetzt wurde.
Aufgrund der geschilderten Regelungen ist es möglich, Sorten, die traditionell in bestimmten Gebieten angebaut werden und an die besonderen regionalen Bedingungen ihrer Ursprungsregion angepasst sind, zuzulassen. Dabei werden geringere Anforderungen an die Homogenität (Einheitlichkeit) gestellt und der landeskulturelle Wert ist durch die Bedeutsamkeit der jeweiligen Sorte für die Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen gegeben. Erhaltungssorten dürfen nur in ihrer Ursprungsregion erhalten werden. Nur dort erzeugtes Saatgut darf zur weiteren Vermehrung in Verkehr gebracht werden. Dadurch wird die In-situ-Erhaltung in Deutschland gefördert.
Für das Inverkehrbringen von Erhaltungssorten gelten je Sorte und Art Höchstmengen, die vom Bundessortenamt in Abhängigkeit von der Anbaubedeutung der jeweiligen Art berechnet und festgesetzt werden (https://www.bundessortenamt.de/bsa/antragsteller/wichtige-bekanntmachungen). Die tatsächlich in Verkehr gebrachten Saatgutmengen sind dem Bundessortenamt zum Ende eines jeden Wirtschaftsjahres zu melden. Diese genehmigten Mengen können für den bundesweiten Konsumanbau verwendet werden und unterliegen nicht der amtlichen Saatgutzertifizierung.