Germany
June 23, 2021
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Die Landwirtschaft befindet sich im Wandel und muss sich auf neue Herausforderungen einstellen. Welche Rolle dabei modernes Saatgut spielt, erläutert Dr. Heike Köhler, Geschäftsführerin der Syngenta Seeds GmbH im lippischen Bad Salzufen.
Frau Dr. Köhler, was macht für Sie die moderne Pfanzenzüchtung aus und welche Bedeutung hat sie für die Landwirtschaft?
Züchtung benötigt viel Kreativität, Beharrlichkeit und Fleiß. Es ist eine sehr erdverbundene Arbeit. Sie auf eine reine Technologiedebatte zu reduzierten, wird ihr nicht gerecht. Wir nutzen moderne Techniken, aber im Kern bewegen wir uns immer noch in der Tradition von Gregor Mendel. Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Merkmalen und selektieren sie aus. Mithilfe moderner Methoden können wir das heute nur effizienter tun. Pflanzenzüchtung ist eine erstaunliche Erfolgsgeschichte, wenn wir allein auf die Entwicklung der Ertragspotenziale in den letzten Jahren schauen. Dies ist die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg unserer Landwirte.
Können Sie diese Erfolgsgeschichte näher erläutern, wer profitiert von den Erfolgen der Pflanzenzüchtung?
Der Nutzen, den die Pflanzenzüchtung bringt, ist größer als allgemein bekannt und angenommen. Der europäische Saatgutverband veröffentlichte vor Kurzem eine neue Studie mit erstaunlichen Ergebnissen. Sie zeigt, dass die Pflanzenzüchtung in den letzten 20 Jahren im Schnitt zu einem jährlichen Ertragszuwachs von etwa 1,2% beitrug und so 20% höhere Ernten ermöglichte. Das wirkt über die Landwirtschaft hinaus und führte insgesamt zu einem jährlichen Plus von 6.100 Euro im Portemonnaie der Landwirte, verbesserten Markt- und Handelsbedingungen und damit zu einer höheren Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln. Wie wichtig dies ist, hat die Corona-Krise gezeigt.
Was sind in der Zukunft die Treiber für die Pfanzenzüchtung?
Es ist klar, dass sich die Landwirtschaft neuen Herausforderungen stellen muss. Stichpunkte sind dabei Biodiversität, Ressourceneffizienz und der Umgang mit dem Klimawandel. Hier müssen wir rasch Antworten finden. Die Pflanzenzüchtung kann das. Eine aktuelle Studie des europäischen Saatgutverbands belegt, dass moderne Sorten dazu beitragen, Treibhausgasemissionen und Biodiversitätsverluste zu vermeiden. Immerhin konnte die Landwirtschaft aufgrund des stetigen Züchtungsfortschritts bis heute schon rund vier Milliarden Tonnen CO2 einsparen.
Wie stellt sich das im züchterischen Alltag dar?
Bei Syngenta haben wir unsere Selektionskriterien stetig verbreitert. Ertrag und Resistenz sind nicht mehr allein ausschlaggebend. Wir müssen unsere Sorten klimafit machen an die steigenden Anforderungen in Sachen Nachhaltigkeit anpassen. Aktuell sind wir bereits sehr erfolgreich mit Maissorten am Markt, die besser mit Trockenheit umgehen können und unter Stress bessere Erträge erzielen. Vor dem Hintergrund der Klimadiskussion intensivieren wir bei Syngenta Seeds die Trockenstress-Forschung und arbeiten mit eigens entwickelten Modellierungskonzepten. Wir forschen auch in puncto Nährstoffeffizienz. Unser Hybridgerstenprogramm zeigt, dass das funktioniert. Aufgrund des besseren Wurzelwerks kommen die Pflanzen etwa mit weniger Stickstoff aus.
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Die Zukunft hat in der Pfanzenzüchtung also bereits begonnen. Welche Erwartungen haben Sie, wenn Sie an die kommenden Aufgaben denken?
Ich erwarte, dass die Modernisierung der Pflanzenzüchtung weiter fortschreitet. Sie nutzt bereits Hilfsmittel wie die Doppelhaploidtechnik oder entwickelt neue Anwendungen wie den Einsatz von Drohnen für die phänotypische Selektion. So lässt sich der Züchtungsvorgang deutlich beschleunigen. Wir werden auch verstärkt auf Robotik und moderne Digitalanwendungen setzen. Aber auch unsere Serviceleistungen für den Landwirt werden digitaler. Unser Cropwise Seed Selector gibt auf Basis digitaler Bodenkarten und hinterlegten Versuchsdaten optimierte Sortenempfehlungen, die besonders gut zum Standort passen.
Und was sind Ihre Wünsche für eine zukunftsfähige Pfanzenzüchtung?
Wenn wir über Innovation sprechen, müssen wir den Züchtungsprozess ganzheitlich betrachten. Innovation beinhaltet die Nutzung aller verfügbaren modernen Werkzeuge und Hilfsmittel, die Effizienz und Qualität vorantreiben. Genome Editing durch CrisprCas ist nur ein zusätzliches Werkzeug und kann helfen, die Grenzen der konventionellen Züchtung zu überwinden.
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Mit Blick auf Ihr Unternehmen – wie ist die Pflanzenzüchtung in Deutschland aufgestellt?
Wir arbeiten mit etwa 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Bereichen Ackerbau, Gemüse und Zierpflanzen. Aktuell investieren wir sehr stark in die Hybridzüchtung und haben uns zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 eine Anbaufläche von 500.000 Hektar mit den eigenen Hybridsorten in Mais, Raps und Hybridgerste zu erreichen. Das Prinzip der Hybridzüchtung basiert darauf, genetisch möglichst weit voneinander entfernte Elternlinien miteinander zu kreuzen. Als Resultat erhält man besonders robuste Pflanzen mit einem Ertragsvorteil. Man bezeichnet dies als Heterosiseffekt. Wir bündeln unser gesamtes züchterisches Know How am Standort Bad Salzuflen, um die Hybridkulturen so schnell wie möglich mit den benötigten Eigenschaften zur Verfügung zu haben Mittels Hybridisierung wollen wir die Brotpflanze Nummer 1, den Weizen, nicht nur ertragreicher, sondern insgesamt fit für die kommenden Herausforderungen im Anbau machen
Was ist Ihnen bei Ihrer Arbeit besonders wichtig?
In der Pflanzenzüchtung gehen Handwerk und Technologie schon immer Hand in Hand. Dieser ganzheitliche Ansatz ist auch im Plan für nach- haltiges Wachstum meines Unternehmens, dem „Good Growth Plan“, verankert. Wir stellen darin die Zusammenarbeit mit anderen Zielgruppen sehr stark in den Vordergrund. Das möchte ich forcieren und auch dazu beitragen, kritische Themen rund um die Pflanzenzüchtung wie den Zugang zu Sorten aus dieser ganzheitlichen Sicht heraus zu moderieren.