Germany
February 29, 2016
Quelle: Pflanzenforschung.de
Wissenschaftlern gelang es, Pflanzen für bestimmte Krankheitserreger resistent zu machen, gegen die sie zuvor nicht gewappnet waren. Nun erforschen sie, ob ihre Ergebnisse auch auf Nutzpflanzen wie Gerste übertragbar sind. (Bildquelle: © vimarovi/Fotolia)
Pflanzen wehren sich mit Hilfe einer Art Immunsystem gegen Krankheitserreger wie Pilze, Viren oder Bakterien. Die Abwehrreaktionen sind hochspezialisiert und schützen nur gegen eine begrenzte Vielfalt von Mikroben. Könnte man Nutzpflanzen gegen mehr Pathogene resistent machen, so wäre es in Zukunft möglich, den kostenintensiven und umweltbelastenden Einsatz von chemischen Schutzstoffen zu reduzieren. Experimente an der Ackerschmalwand zeigen Erfolge.
Auch Pflanzen versuchen sich effizient vor Krankheiten zu schützen. Jede Pflanzenzelle hat eine einprogrammierte Immunität gegenüber bestimmten Mikroben. Proteine erkennen diese als Krankheitskeime und lösen eine Verteidigungsstrategie aus, zum Beispiel eine Entzündungsreaktion oder den programmierten Tod der Zelle (Apoptose), um die weitere Verbreitung der Mikroben einzudämmen. Darüber hinaus können Pflanzen lernen, Keime zu erkennen: Ist eine Zelle von einem Erreger betroffen, sind nach ein paar Tagen die Zellen in der gesamten Pflanze „informiert“ und ebenfalls resistent (SAR). Einige Pflanzen legen Pathogenen auch Steine in den Weg, indem sie ihre Schließzellen beim Befall durch bestimmte Bakterien schließen.
Vielen unserer heutigen Nutzpflanzen sind durch langjährige Züchtung auf andere Merkmale hin diese natürliche Resistenz abhanden gekommen. Deshalb versucht man auf dem Acker, unsere Nahrungspflanzen vor Krankheitserregern mit chemischen Mitteln zu schützen. Das belastet die Umwelt und kostet die Landwirte viel Geld.
Hier sind zwei Arabidopsis-Pflanzen zu sehen, die in der Studie verwendet wurden. Unter UV-Licht (unten) erkennt man, dass die linke Pflanze von einem Virus befallen ist; die rechte Pflanze ist nicht infiziert. - Bildquelle: © Tom Ashfield
Nutzpflanzen universell resistent machen
Ein Ziel der Pflanzenforschung ist es daher, Nutzpflanzen mit gentechnischen Methoden resistent gegen eine größere Vielfalt von Keimen zu machen. Innerhalb der letzten 20 Jahre erforschte man vor allem, wie die hochspezifischen Mechanismen überhaupt funktionieren. Versuche, pflanzliche Immunantworten im Labor zu erweitern, waren dagegen lange nur eingeschränkt erfolgreich. Kürzlich aber gelang es Forschern mit einem neuen Ansatz, eine Immunantwort zu synthetisieren: Sie veränderten nicht das Protein, das die Immunantwort auslöst, sondern den „Informanten“ am Anfang der Signalkette.
Im Fokus: NLR-Proteine
Die Proteine, die die Forscher untersuchten, gehören zur Gruppe der NLR (nucleotide binding leucine-rich repeat) Proteine. Sie sind mit verschiedenen Rezeptoren ausgestattet, die die Virulenz-Faktoren einer begrenzten Anzahl Keime erkennen können. Sobald ein Keim an den Rezeptor eines NLR Proteins andockt, ändert das NLR Protein seine Konformation und informiert dadurch andere NLR Proteine, die die Abwehrreaktion in Gang setzen.
In der Ackerschmalwand und in Tabakpflanzen, beide Pflanzen sind beliebte Modellsysteme in der Pflanzenforschung, bilden zwei NLR Proteine den sogenannten pre-activation complex: PBS1 ist der Informant, der den eintretenden Keim registriert. RPS5 löst anschließend die Immunantwort aus. Das Protein PBS1 „erkennt“ den Keim daran, dass es nur von diesem an einer bestimmten Aminosäurensequenz gespalten werden kann. Die Änderung der Struktur von PBS1 signalisiert RPS5 schließlich, dass Gefahr droht und es setzt die Abwehrreaktion in Gang.
Das nützliche an diesem Mechanismus ist, dass das Auslösen der Signalkette letztendlich unabhängig davon ist, welcher Keim PBS1 spaltet – solange PBS1 von ihm gespalten werden kann. Auf diese Tatsache bauten Forscher kürzlich eine Reihe von Experimenten auf: Sie tauschten die Gene für die Aminosäurensequenz, an denen PBS1 gespalten wird (target site), gegen verschiedene fremde target sites aus, die von den Enzymen „neuer“ Keime gespalten werden.
NLR-Proteine erkennen ihnen bisher unbekannte Keime
Dieser gentechnische Eingriff in das Immunsystem der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) und des Tabaks (Nicotiana glutinosa) funktionierte ohne Nebenwirkungen. Beide Pflanzen erkannten das Bakterium Pseudomonas syringae, das sie natürlicher Weise anhand dessen Protease AvrPphB erkennen, auch anhand eines ihnen bisher unbekannten Enzyms, das im Bakteriensekret enthalten ist. Der Austausch der target site von PBS1 verhinderte nicht, dass PBS1 und RPS1 den Komplex bildeten, über den die Proteine das entscheidende Signal austauschen und die Immunabwehr aktivieren. Auf diese Weise könnten in Zukunft weitere Pflanzen, deren Immunabwehr auf dem gleichen Prinzip beruht, resistent gegen Pseudomonas syringae gemacht werden – das Bakterium, das zum Beispiel an Steinobst den Bakterienbrand auslöst.
Auch Viren im Visier
Interessanterweise funktionierte der Ansatz auch im Zusammenhang mit einem Virus, dem TEV (Tobacco etch virus) – zwar noch nicht so schnell, wie es eine wirksame Abwehr auf dem Acker erfordern würde, aber der Anfang ist gemacht. Während Viren ihre RNA ständig verändern und auf diese Weise etablierte Resistenzen umgehen (Koevolution), vermuten die Forscher in diesem Fall sogar eine langfristige Resistenz. Denn die Protease, die die beiden Versuchspflanzen erkennen konnten, war eine, die der Virus essentiell für die eigene Replikation braucht. Unwahrscheinlich ist es deshalb, dass der Virus ein für eigene Prozesse notwendiges Enzym verändern wird, um die Resistenz eines Wirtes zu umgehen.
Die Versuche, die beispielhaft an der Ackerschmalwand und der Tabakpflanze durchgeführt wurden, sind vielversprechend. Sie zeigen einen Weg auf, wie es in Zukunft möglich sein kann, durch genome editing an einer Proteinfamilie Nutzpflanzen resistenter gegen eine Vielzahl von Keimen zu machen.
Quelle:
Kim, S. H. et al. (2016): Using decoys to expand the recognition specificity of a plant disease resistance protein. In: Science 351, 6274, 684-687, (12. Februar 2016), DOI: 10.1126/science.aad3436.
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