Bonn, Germany
18. Dezember 2018
Die Pflanzenzüchter blicken auf ein turbulentes Jahr zurück, geprägt von politischen, gesellschaftlichen und nicht zuletzt klimatischen Herausforderungen.
Koalitionsverhandlungen mit durchwachsenem Ergebnis
Die Pflanzenzüchter haben den Start in die neue 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages intensiv begleitet. Im Koalitionsvertrag, auf den sich CDU und SPD im Februar nach langen Verhandlungen geeinigt haben, wird der Landwirtschaft nach Ansicht des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter e. V. (BDP) eine eher untergeordnete Rolle zugewiesen. Begrüßenswert ist allerdings die vorgesehene steuerliche Förderung von Forschung- und Entwicklung (F&E) v. a. in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU). Für die Formulierung der Ackerbaustrategie bis zum Herbst 2019 erwarten die Pflanzenzüchter von der Politik, aktiv in den Gestaltungsprozess des Strategiepapiers sowie dessen Umsetzung einbezogen zu werden. Nur so werden Landwirtschaft und Gesellschaft von den Innovationen der Pflanzenzüchtung profitieren können.
EuGH-Urteil zu neuen Züchtungsmethoden enttäuscht Pflanzenzüchter
In der Entwicklungsgeschichte der Pflanzenzüchtung ist die klassische Züchtung anhand von Kreuzung und Selektion stetig um weitere Methoden ergänzt worden. Je nach Bedarf und Zuchtziel können die unterschiedlichen Verfahren eingesetzt werden. Eine der neuesten Entwicklungen sind die sogenannten neuen Züchtungsmethoden, die es ermöglichen, gezielt ein gewünschtes Merkmal im pflanzlichen Genom zu modifizieren. Obwohl bei der Anwendung der neuen Züchtungsmethoden Veränderungen im Genom entstehen, die nicht von natürlichen Mutationen zu unterscheiden sind, urteilte der EuGH im Juli, dass Pflanzen aus diesen Verfahren als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einzuordnen sind. Daraus folgt, dass diese Pflanzen die aufwendigen Zulassungs- und Kennzeichnungsverfahren für GVO durchlaufen müssen, bevor sie auf den europäischen Markt gelangen.
Die Rechtsprechung des EuGH bereitet große Probleme in der praktischen Umsetzbarkeit. So stellt sich die Frage, wie für solche Pflanzen die Zulassungsvoraussetzung, ein eindeutiges Nachweis- und Identifizierungsverfahren bereitzustellen, erfüllt werden kann. Ohne ein solches können außerdem die Überwachungsbehörden ihrer Aufgabe nicht nachkommen. Ungeklärt bleibt auch die Frage wie in Zukunft mit Produkten aus Drittländern verfahren werden kann, in denen Pflanzen aus neuen Züchtungsmethoden nicht als GVO eingestuft sind. „Um eine Anwendung dieser und zukünftiger Verfahren für alle Pflanzenzüchtungsunternehmen zu ermöglichen, fordern die Züchter Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung dazu auf, die Gesetzgebung derart anzupassen, dass sie sich an wissenschaftlichen Grundsätzen orientiert und neuesten Entwicklungen in der Pflanzenzüchtung Rechnung trägt“, fordert BDP-Geschäftsführer Dr. Carl-Stephan Schäfer.
Dürre legt Innovationsbedarf offen
Die extreme Trockenheit in diesem Jahr hat dramatisch aufgezeigt wie wichtig neue, verbesserte Pflanzensorten für ein zukunftsfähiges Agrarsystem sind. Angesichts sich wandelnder klimatischer Einflüsse und abnehmender Verfügbarkeit von Pflanzenschutz- und Düngemitteln birgt die Pflanzenzüchtung ein großes Potenzial, Sorten bereitzustellen, die in extremen Umwelten Ertragsstabilität gewährleisten.
Die Entwicklung dieser Sorten erfordert von den meist mittelständischen Unternehmen enorme Investitionen in F&E-Aktivitäten. Daher ist eine langfristige Forschungsförderung für die Branche und den Fortschritt unabdingbar. Die Pflanzenzüchter haben deshalb die öffentliche Bekanntmachung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im August begrüßt, Weizenforschung und -züchtung weiterhin zu fördern.
Erkenntnisse aus der Forschung müssen konsequent in die Praxis umgesetzt werden, um unter veränderten Anbaubedingungen die Ertragshöhe und -stabilität deutlich und stetig zu verbessern und dabei das erforderliche hohe Qualitätsniveau zu erhalten. Die Pflanzenzüchter hoffen daher, dass die Bundesregierung solche Ansätze mit weiteren Forschungsprogrammen auch für weitere Kulturarten stärkt.
Schnittstellen zwischen Sorten- und Patentschutz klar definieren
Der Sortenschutz ist das primäre Schutzrecht in der Pflanzenzüchtung. Er garantiert dem Züchter einer Sorte seine geistigen Eigentumsrechte an der Nutzung des Saatgutes. Nach wie vor entgeht den Pflanzenzüchtern durch gesetzliche Lücken und die damit verbundene Rechtsprechung allerdings ungefähr die Hälfte der Nachbaugebühren. Dies gefährdet unmittelbar die Innovations- und Investitionsfähigkeit in der Züchtungsarbeit und somit die Zukunft der Landwirte. Pflanzenzüchter müssen die ihnen zustehenden Nachbaugebühren in vollem Umfang erhalten, um für die Landwirtschaft in die Sortenentwicklung investieren zu können. Der BDP fordert eine substanzielle Verbesserung des Verfahrens zur Erhebung von Nachbaugebühren.
Eine Ergänzung zum Sortenschutz ist der Patentschutz, der im Bereich technischer Erfindungen angewendet wird. Im Dezember hat die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes beschlossen, dass Pflanzen aus im Wesentlichen biologischen Verfahren nun doch patentierbar sind. „Mit dieser Entscheidung wird ein jahrelanger Prozess zur sinnvollen Abgrenzung des Sortenschutzes zum Patentschutz konterkariert. Die politischen Entscheidungsträger müssen umgehend sicherstellen, dass das Verbot der Patentierung von Pflanzen aus Kreuzung und Selektion im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) verankert wird“, erklärt Schäfer.
Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e. V. (BDP):
Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e. V. (BDP) mit Sitz in Bonn und Berlin ist die berufsständische Vertretung der rund 130 deutschen Pflanzenzuchtunternehmen und Saatenhändler aus den Bereichen Landwirtschaft, Gemüse und Zierpflanzen. Mit einer F&E-Quote (Forschung & Entwicklung) von 15,1 Prozent gehört die Pflanzenzüchtung zu den innovativsten Branchen in Deutschland. Rund 5.800 Beschäftigte finden in ihr einen Arbeitsplatz und legen mit ihrer Tätigkeit die Basis für eine erfolgreiche Landwirtschaft und die darauf folgenden Stufen der Wertschöpfungskette.